Glossar

Index

A
Antimuslimischer Rassismus
Antisemitismus

B
bildungsbenachteiligt
Bücherverbrennung

C
color-line

D
Dichotomisierung
Diskriminierung
Dominanzgesellschaft
Doppeltes Bewusstsein

E
Ebenen der Diskriminierung
Empowerment

H
Heimat

I
Institutioneller Rassismus
Intersektionalität

M
Meinungsfreiheit
Menschenrechtsbildung

N
natio-ethno-kulturelle Zugehörigkeit
Nationalstaaten
NSU – Terrornetzwerk

O
Othering

P
People of Color

R
Rassismuskritik

S
Schwarz

V
Vorurteil

W
Weiß / Weißsein

Z
Zuschreibungen


Antimuslimischer Rassismus

Antimuslimischer Rassismus zeigt sich in unterschiedlichen Formen. Er trifft Menschen, die Muslim*innen sind. Genauso trifft er auch Menschen ohne muslimischen Glauben, die aber trotzdem als Muslim*innen eingeordnet werden – zum Beispiel aufgrund äußerer Merkmale, ihres Namens oder ihrer vermuteten Herkunft.

Bei Antimuslimischem Rassismus wird nicht nachgefragt, wie die Menschen sich selbst sehen oder welche Rolle der Glaube in ihrem Leben wirklich spielt. Es wird auch nicht zwischen verschiedenen Strömungen des Islam unterschieden. Meistens ist pauschal von „dem Islam“ und „den Muslimen“ die Rede. Es wird also von einer einheitlichen Gruppe gesprochen, bei der alle Gruppenmitglieder angeblich die gleichen Eigenschaften hätten.

Außerdem denken viele Menschen, „der Islam gehört nicht zu Deutschland“, obwohl es viele deutsche Muslim*innen gibt. Auch Politiker*innen haben diesen Satz schon öffentlich gesagt. Dies schürt eine negative Stimmung gegen Muslim*innen und bestärkt Menschen, Ähnliches zu denken und zu sagen.

Antimuslimische und rassistische Denkweisen sind mit der Überzeugung verbunden, dass es zwei grundverschiedene Gruppen von Menschen gäbe: Auf der einen Seite stünden „Wir“, also die eigene Gruppe. Auf der anderen Seite seien „die Anderen“, also „die Muslim*innen“. Diesen zwei Gruppen werden bestimmte entgegengesetzte Eigenschaften zugeschrieben.

Viele Probleme, die unsere Gesellschaft hat (z.B. Wohnungsnot, Arbeitslosigkeit, die Schere zwischen Arm und Reich) werden auf „die Anderen“ geschoben, obwohl diese Probleme politische und soziale Ursachen haben.

Gleichzeitig wird selten darüber gesprochen, dass Muslim*innen in unserer Gesellschaft ausgegrenzt und benachteiligt werden. Zum Beispiel haben Muslim*innen oft einen unsicheren oder begrenzten Aufenthaltsstatus als Geflüchtete oder Menschen ohne deutschen Pass. Sie haben dadurch also weniger Rechte. Ebenso bekommen sie aufgrund von rassistischen Vorstellungen schwieriger eine Wohnung, Ausbildung und Arbeit oder werden mit einem ganz niedrigen Lohn beschäftigt und ausgebeutet. Außerdem werden muslimische Kinder und Jugendliche in Kitas und Schulen häufig benachteiligt und erleben dort Diskriminierungen. Denn auch viele Erzieher*innen und Lehrer*innen haben eine negative Vorstellung von Muslim*innen. Dies zeigt sich z.B. darin, dass den Kindern und Jugendlichen nicht so viel zugetraut wird und sie schlechter bewertet werden.

Antimuslimischer Rassismus wirkt sich in ganz vielen Situationen des täglichen Lebens negativ auf Menschen aus, die Muslim*innen sind oder die als Muslim*innen gesehen werden. Als „die Anderen“ werden sie als weniger wertvolle Menschen betrachtet, die angeblich nicht zu „uns“ gehören. Die „Wir“-Gruppe sieht sich gleichzeitig als höherwertig und fühlt sich durch diese Sichtweise stärker und mächtiger.

Durch antimuslimischen Rassismus wird an den Problemen in unserer Gesellschaft (z.B. Schere zwischen Armut und Reichtum) nichts geändert. Ganz im Gegenteil werden die Probleme noch größer, denn es wird auf diese Weise nichts gegen die wirklichen Ursachen unternommen.

Quelle

Bildungsteam Berlin-Brandenburg e.V. im Rahmen des Projektes „Bildungsbausteine gegen antimuslimischen Rassismus“

Als Vorlage diente eine Definition von Iman Attia in einem Interview mit IslamiQ: „Antimuslimischer Rassismus: Sie werden als Fremde behandelt“ vom 22.6.2014.

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Antisemitismus

Antisemitismus basiert auf einer doppelten Unterscheidung. Die Wir-Gruppe wird zunächst als „Volk“, „Staat“, „Nation“, „Rasse“, „Identität“, „Kultur“ oder Religion von anderen „Völkern“, „Staaten“ usw. unterschieden. Diese Einheiten werden in einer antisemitischen Logik immer als wesenhafte, einheitliche und harmonische Gemeinschaften verstanden. „Die Juden“ werden ihnen dann als Gegenprinzip gegenübergestellt. Durch eine entsprechende Stereotypisierung werden „die Juden“ für alle verunsichernden und als negativ empfundenen Umstände politischer, ökonomischer und kultureller Modernisierungsprozesse verantwortlich gemacht und werden ihnen die Bedrohung und „Zersetzung“ jener als ursprünglich imaginierten Gemeinschaft(en) zugeschrieben. Daraus ergeben sich der Glaube an eine in Gut und Böse eingeteilte Welt, an das Wirken verborgener Mächte und Verschwörungen als weitere Grundelemente des Antisemitismus. Da „die Juden“ in dieser Logik die personifizierte Bedrohung darstellen, sind dem Antisemitismus außerdem die Umkehr von Opfern und Täter_innen und die Diskriminierung – bis zur Vernichtung – von Menschen, die als „Juden“ markiert werden, – auf interaktionaler, institutioneller und gesellschaftlich kultureller Ebene – eingeschrieben. Antisemitische Stereotype rechtfertigen diese Diskriminierungen. Als wichtige Formen von Antisemitismus werden in verschiedenen Typisierungen unterschieden: christlicher, rassistischer, sekundärer, israelbezogener und NS-vergleichender Antisemitismus bzw. antizionistischer und islamistischer/islamisierter Antisemitismus.

Quelle

Informations- und Dokumentationszentrum für Antirassismusarbeit e. V.

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bildungsbenachteiligt

Mit dem Begriff „bildungsbenachteiligt“ soll strukturelle Ausgrenzung benannt werden. Während der Begriff „bildungsfern“ Strukturen verschleiert und impliziert, die Menschen seien das Problem, will „bildungsbenachteiligt“ die Perspektive ändern. Es wird damit untersucht, wie das dominante Schulsystem weniger einseitig werden kann, damit Bildung und Wissensbestände diskriminierter Gruppen nicht mehr abgewertet und ignoriert werden. Der Blick liegt hier auf der Institution und wirft Fragen auf, wie diese sich verändern muss, damit alle Kinder gleiche Chancen bekommen.

Quelle

anti-bias-netz (Hrsg.): Vorurteilsbewusste Veränderung mit dem Anti-Bias-Ansatz. Freiburg: Lambertus 2016

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Bücherverbrennung

Am 10. Mai 1933 werden in deutschen Städten tausende Bücher verbrannt. Die „Aktion wider den undeutschen Geist“ der nationalsozialistisch dominierten Deutschen Studentenschaft richtet sich gegen jüdische und andere verfemte Autorinnen und Autoren. Heute erinnert am 10. Mai der „Tag des Buches“ an die Ereignisse.

„Deutsche Männer und Frauen, das Zeitalter eines überspitzten jüdischen Intellektualismus ist nun zu Ende“ – mit diesen Worten richtet sich NS-Propagandaminister Joseph Goebbels in seiner „Feuerrede“ am 10. Mai 1933 an rund 70.000 Schaulustige auf dem Berliner Opernplatz, dem heutigen Bebelplatz. Dort verbrennen Studierende – teilweise in SA- und SS-Uniformen – Bücher von jüdischen, sozialistischen und liberalen Autorinnen und Autoren. Damit soll „undeutsches Schrifttum“ ausgemerzt werden.

Die studentische Bücherverbrennung in Berlin ist nicht die einzige. Das Ereignis findet zeitgleich in etwa 20 deutschen Universitätsstädten statt.

Quelle

Bundeszentrale für politische Bildung

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color-line

Mit color-line wird in den USA die unsichtbare Trennung der Gesellschaft bezeichnet – eine Spaltung nach Hautfarbe, was den Zugang zu gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Ressourcen angeht. Dies produziert sehr unterschiedliche Erfahrungswelten, auch in Deutschland: Rassismus scheint für die weiße Mehrheit oft unsichtbar zu sein, während er offensichtlich und allgegenwärtig ist für Menschen, die von Rassismus benachteiligt und ausgegrenzt werden. Geprägt wurde der Begriff vom us-amerikanischen Wissenschaftler und Aktivisten der Bürgerrechtsbewegung W.E.B. Du Bois (1903) mit dem Buch „The Souls of Black Folk“.

Quelle

anti-bias-netz (Hrsg.): Vorurteilsbewusste Veränderung mit dem Anti-Bias-Ansatz. Freiburg: Lambertus 2016

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Dichotomisierung

Dichotomisierung bezeichnet in der Rassismuskritik die Zweiteilung einer Gruppe nach bestimmten Merkmalen. Kulturelle, biologische, … Differenzierungen werden mit Begriffsgruppen wie wir/ihr, unsere/eure markiert. Das wir/unsere wird mit positiven, das ihr/euch mit negativen, abweichenden Merkmalen verknüpft. Die negative Darstellung der jeweils anderen führt zu Ausgrenzungsprozessen.

Quelle

Informations- und Dokumentationszentrum für Antirassismusarbeit e. V.

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Diskriminierung

Diskriminierung ist die ungleiche, benachteiligende und ausgrenzende Behandlung von konstruierten Gruppen und diesen zugeordneten Individuen ohne sachlich gerechtfertigten Grund. Diskriminierung kann sich zeigen als Kontaktvermeidung, Benachteiligung beim Zugang zu Gütern und Positionen, als Boykottierung oder als persönliche Herabsetzung. Der Begriff bezeichnet sowohl den Vorgang als auch das Ergebnis, also die Ausgrenzung und strukturelle Benachteiligung der diskriminierten Personen und Gruppen. Die Durchsetzung von Diskriminierung setzt in der Regel soziale, wirtschaftliche, politische oder diskursive Macht voraus. Diskriminierung ist nicht auf individuelles Handeln beschränkt, sondern auch in gesellschaftlichen, politischen, wirtschaftlichen und rechtlichen Strukturen verankert. Um dies deutlich zu machen, wird zwischen Diskriminierung auf subjektiver, interaktionaler, institutioneller, gesellschaftlich-kultureller und struktureller Ebene unterschiede

Quelle

Informations- und Dokumentationszentrum für Antirassismusarbeit e. V.

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Dominanzgesellschaft

Der Begriff der Dominanzgesellschaft oder -kultur geht auf die Psychologin und Sozialarbeiterin Birgit Rommelspacher zurück. Er versucht das Zusammenleben unter mehrdimensionalen, vielschichtigen Macht- und Herrschaftsbedingungen zu beschreiben. Die Dominanzgesellschaft ist geprägt von einer Geschichte, die Herrschen und Beherrscht werden zu ihren zentralen Ordnungskategorien hat werden lassen. Im Gegensatz zu kolonialen oder faschistischen Gesellschaften ist die Unterteilung in Unterdrückte und Unterdrückende aber nicht eindeutig, sondern verläuft anhand vieler verschiedener Differenzlinien (Frau/Mann, weiß/Schwarz, deutsch/nicht-deutsch, arm/reich usw.), was zu einem Verblassen der kollektiven Identitäten und zu Verunsicherung führt. Zudem sind Über- und Unterordnung in Normen, Normalitätsvorstellungen und Alltagshandeln eingelassen. Diese Uneindeutigkeiten verdecken und rechtfertigen bestehende Ungleichheiten und Diskriminierungen, sodass die Dominanzgesellschaft sich ihrer eigenen Hierarchien nicht bewusst ist (oder sein will), sondern sich (allerdings nur oberflächlich) zu Gleichheit und Gleichwertigkeit bekennt.

Quelle

Informations- und Dokumentationszentrum für Antirassismusarbeit e. V.

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Doppeltes Bewusstsein

Den Begriff „doppeltes Bewusstsein“ (engl. double consciousness) hat der US-amerikanische Soziologe und Schriftsteller W.E.B. Du Bois in seinem 1903 erschienenen Buch „Die Seelen der Schwarzen“ (engl. The Souls of Black Folk) über die Rassentrennung in den USA geprägt. Du Bois beschreibt mit dem Begriff das Gefühl, „sich selbst immer nur durch die Augen anderer wahrzunehmen, der eigenen Seele den Maßstab einer Welt anzulegen, die nur Spott oder Mitleid für einen übrig hat.” Doppeltes Bewusstsein bezeichnet also eine Form, in der rassistisch diskreditierbare Menschen die Verweigerung von Zugehörigkeit, rassistische Zuschreibungen und Weißsein als Norm verinnerlicht haben. Das eigene Selbst ist dann nur durch den Spiegel von Stereotypen und weißer Normen zugänglich. Die Folgen von doppeltem Bewusstsein können Passivität, Aggressivität, Minderwertigkeitsgefühle und Überkompensation sein. Letzteres bedeutet, dass eine rassistisch diskreditierbare Person einerseits versucht, möglichst angepasst und unauffällig zu sein, um keine Stereotype zu erfüllen und auf diese Weise Diskriminierungen zu entgehen, und sich andererseits offensiv von anderen rassistisch diskreditierbaren Personen abgrenzt, auf die Stereotype zutreffen.

Quelle

Du Bois, W.E.B. (1996 [1903]): The Souls of Black Folk, in: Sundquist, Eric J. (Hg.), The Oxford W. E. B. Du Bois reader, New York, NY: Oxford University Press, S. 97-240.

Informations- und Dokumentationszentrum für Antirassismusarbeit e. V.

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Ebenen der Diskriminierung

Diskriminierung erfolgt vor allem auf drei Ebenen: der individuellen, der institutionellen und der gesellschaftlichen.

Diese Ebenen sind nicht immer eindeutig voneinander zu trennen. Antidiskriminierungsmaßnahmen in der Schule sollten daher immer alle drei Ebenen im Blick behalten.

Auf der individuellen Ebene
bezieht sich Diskriminierung auf ein Verhalten zwischen Individuen, das einzelne Personen abwertet oder ausgrenzt. Dabei geht es im Schulkontext oft um wiederkehrende verletzende Erfahrungen zwischen Lehrkräften auf der einen und Schüler_innen auf der anderen Seite oder zwischen Schüler_innen.

Beispiel für eine Diskriminierung auf individueller Ebene: Ein Schüler, dessen Eltern homosexuell sind, wird vom Klassenlehrer immer wieder aufgefordert, zu erzählen, wie sich seine Familie von „normalen“ Familien unterscheidet.

Auf der institutionellen Ebene
ist für die Diskriminierung das Handeln einer Organisation verantwortlich: Die Personen handeln nicht aus eigenen Motiven diskriminierend, sondern die Regeln, Gesetze, Praktiken und Abläufe der Institution sind für die Benachteiligung verantwortlich, dabei handelt es sich um institutionelle Diskriminierung (Gomolla und Radtke 2007:19). Im Zusammenhang mit der institutionellen Ebene wird häufig auch von struktureller Diskriminierung gesprochen. Sie entsteht dadurch, dass es gesellschaftliche Strukturen gibt, die z.B. Ressourcen ungleich verteilen, wodurch bestimmte Gruppen benachteiligt werden.

Beispiel für eine Diskriminierung auf institutioneller Ebene: Sonderschulüberweisungen für Kinder mit Migrationshintergrund werden mit Sprachdefiziten und kulturellen Differenzen gerechtfertigt ohne eine Überprüfung der muttersprachlichen Fähigkeiten, um das Sprachdefizit als Ursache für Lernschwierigkeiten auszuschließen.

Strukturelle Diskriminierung
liegt zum Beispiel dann vor, wenn gesellschaftliche Strukturen dazu führen, dass Bildungseinrichtungen in Stadtteilen mit einem hohen Anteil von Familien mit Migrationshintergrund oder sozial schwächeren Familien eine vergleichsweise geringere Qualität aufweisen als in anderen Stadtteilen und dadurch Schüler_innen mit Migrationshintergrund oder aus sozial schwächeren Familien benachteiligt werden.

Die gesellschaftliche Ebene
betrifft Vorstellungen, Bezeichnungen und Bilder. Häufig spielen dabei Stereotypisierungen eine Rolle. Stereotype Ideen und Bilder werden von Medien transportiert, finden sich aber auch in alltäglichen Gesprächen, in Schulbüchern oder Lehr- und Lernmaterialien wieder.

Beispiel für eine Diskriminierung auf gesellschaftlicher Ebene: In Schulmaterialien wird ein klischeehaftes Bild vom afrikanischen Kontinent vermittelt. Komplexe Lebensrealitäten in unterschiedlichen afrikanischen Ländern werden gar nicht oder nur vor negativem Hintergrund (Flüchtlingsströme, Kriege etc.) dargestellt. Auch bei vermeintlich positiven Darstellungen von afrikanischen Menschen als tanz- und musikbegabt („Rhythmus im Blut“) handelt es sich um stereotype Darstellungen, die diskriminierend sind.

Quelle

Antidiskriminierungsstelle des Bundes (Hrsg.): Diskriminierung an Schulen erkennen und vermeiden. Praxisleitfaden zum Abbau von Diskriminierung in der Schule.

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Empowerment

Der Begriff wurde von der US-amerikanischen Bürgerrechts- und Selbsthilfebewegung geprägt und steht für Selbst-Ermächtigung oder Selbst-Befähigung. Gemeint ist damit ein Prozess, in dem benachteiligte Menschen ihre eigenen Kräfte entwickeln und Fähigkeiten nutzen, um an politischen und gesellschaftlichen Entscheidungsprozessen teilzuhaben und so ihre Lebensumstände und Entwicklungsmöglichkeiten zu verbessern – unabhängig vom Wohlwollen der Mehrheitsangehörigen. Dazu zählen Konzepte und Strategien, die dazu beitragen, dass Menschen in (relativ) marginalisierten Positionen ein höheres Maß an Selbstbestimmung und Autonomie erhalten und ihre Interessen eigenmächtig, selbstverantwortlich und selbstbestimmt vertreten und durchsetzen können. Empowerment bezeichnet dabei sowohl den Prozess der Selbstermächtigung als auch die professionelle Unterstützung der Menschen, ihre Gestaltungsspielräume und Ressourcen wahrzunehmen und zu nutzen.

Quelle

Informations- und Dokumentationszentrum für Antirassismusarbeit e. V.

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Heimat

Ein Synonym für Heimat ist Zuhause. Wo sich das Zuhause, die Heimat befindet und was sie ausmacht, ist sehr individuell und kann für jeden Menschen etwas anderes bedeuten: Die Freund_innen, die Familie, das Haus oder die Stadt in der mensch lebt. Heimat ist nicht gleichbleibend, sondern ist vieldeutig und kann sich im Laufe des Lebens verändern. In diesem Sinne ist sie etwas sehr Persönliches und hat viel mit Selbstdefinition und individueller Identität zu tun: Niemand kann entscheiden, wo andere Menschen zuhause sind. Hermann Bausinger interpretiert Heimat als Besitz und Recht (bspw. Besitz von Land oder einer Wohnung, das Recht auf Versorgungsansprüche eines Staates). Wenn Heimat aber jemandem gehört, kann dieser Mensch bzw. können diese Menschen auch entscheiden, was mit ihr passiert und wer dazu gehören soll. In diesem Moment bedeutet die Heimat der einen den Ausschluss der anderen.

Quelle

Informations- und Dokumentationszentrum für Antirassismusarbeit e. V.

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Institutioneller Rassismus

Institutioneller Rassismus resultiert aus der Anwendung formeller und informeller „ungeschriebener“ Gesetze, Regeln, Vorschriften, Normen und Verfahren. In seiner direkten Form erlauben formelle und informelle Regeln eine gezielte Unterscheidung und Ungleichbehandlung von rassistisch diskreditierbaren Menschen gegenüber fraglos Dazugehörigen. In seiner indirekten Variante werden formelle und informelle Handlungsmuster und Regeln der Gleichbehandlung, die in den Mitgliedschaftsbedingungen einer Institution eingeschrieben sind, auf alle gleichermaßen angewandt, haben aber auf rassistisch diskreditierbare Menschen diskriminierende Auswirkungen. Rassismus ist hier also das Ergebnis einer Gleichbehandlung, die die unterschiedlichen Voraussetzungen von Personen nicht berücksichtigt. Das ist z. B. der Fall, wenn Schulen das Vermitteln der Bildungssprache Deutsch nicht als ihre Aufgabe, sondern Deutschkenntnisse als Voraussetzung betrachten, die Kinder schon mitbringen müssen. Formen von institutionellem Rassismus sind Seiteneffekt-Rassismus und past-in-present-Rassismus. Institutioneller Rassismus führt dazu, dass der Zugang zu Ressourcen, Partizipation und Anerkennung sowie ihre Möglichkeiten, ihre Potenziale auszuschöpfen, für einige Menschen trotz des Gleichheitsgrundsatzes eingeschränkt sind, während andere dabei privilegiert sind.

Quelle

Informations- und Dokumentationszentrum für Antirassismusarbeit e. V.

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Intersektionalität

Der Begriff Intersektionalität beschreibt die Analyse der Interdependenz (gegenseitigen Bedingtheit) und des Zusammenwirkens verschiedener Kategorien von Differenzen mit Dimensionen sozialer Ungleichheit und Ausgrenzung. Um ein umfassendes Verständnis von Diskriminierung zu erhalten, dürfen deren einzelne Formen (etwa Rassismus, Sexismus oder Heterosexismus) nicht unabhängig voneinander betrachtet werden. Ein homosexueller Muslim, der migriert ist und Wirtschaftswissenschaften studiert, könnte bspw. aufgrund seiner sexuellen Identität und/oder seiner Religion und/oder seiner „ethnischen“ Herkunft von Diskriminierung betroffen sein. Gleichzeitig stehen ihm aufgrund seiner Genderzugehörigkeit und seines Bildungshintergrundes verschiedene Ressourcen zur Verfügung, die ihn in diesen Aspekten privilegieren. Intersektionalität meint also nicht lediglich Mehrfachdiskriminierung, sondern die Tatsache, dass die Interdependenz von Differenzlinien und ihre gesellschaftlichen Folgen zu ganz spezifischen Formen der Diskriminierung führen.

Quelle

Informations- und Dokumentationszentrum für Antirassismusarbeit e. V.

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Meinungsfreiheit

 

Verbreitung rassistischen Gedankenguts – Meinungsfreiheit hat Grenzen (von Hendrik Cremer, Auszug)

 

Die Meinungsfreiheit ist ein zentrales Menschenrecht, das – so formuliert es das Bundesverfassungsgericht – für die freiheitlich-demokratische Staatsordnung „schlechthin konstituierend“ ist. Die Meinungsfreiheit ist jedoch kein Freifahrtschein für rassistische Diffamierungen und Parolen. Dies ergibt sich aus der grund- und menschenrechtlichen Schutzpflicht des Staates, die Bevölkerung vor rassistischer Propaganda zu schützen.
 

Rassistische Positionen im öffentlichen Raum

Rassistische Positionen werden in Deutschland im öffentlichen Raum – in Reden, Interviews, bei Demonstrationen, in Publikationen, auf Wahlplakaten, im Internet – sowohl von rechtsextremen Parteien und Organisationen als auch von Personen und Organisationen vertreten, die nicht klar dem rechtsextremen Spektrum zuzuordnen sind, bis hin in die gesellschaftliche Mitte. Die Einstellungsforschung zeigt, dass Stereotype und Einstellungen, die sich gegen Jüdinnen_Juden, Sinti_ze und Roma_nja, Muslim_innen, Flüchtlinge und Migrant_innen richten, weit über rechtsextreme Milieus hinaus verbreitet sind (Zick et al. 2016). Gehetzt wird etwa auch gegen Menschen aus der Zivilgesellschaft, Kirchengemeinden und Politik, die nach Deutschland geflohene Menschen unterstützen.

Eine neuere Entwicklung zeigte sich angesichts der Ende 2014 in Dresden begonnenen ‚Pegida‘-Demonstrationen. Solche Demonstrationen haben insofern eine neue Qualität, als an ihnen sowohl Personen aus dem rechtsextremen als auch aus dem bürgerlichen Spektrum teilnehmen. Dabei werden rassistische Stereotype und Einstellungen offen auf die Straße getragen, wobei die Teilnehmenden auch gegen Andersdenkende, Politiker_innen und Journalist_innen hetzen.

Seit 2014 zog auch die Partei AfD (Alternative für Deutschland) in mehrere Landesparlamente und in den Bundestag ein. Führungspersonen der Partei sympathisieren offen mit der Pegida-Bewegung oder vertreten auch selbst rassistische Positionen. Sie haben sich beispielsweise dafür ausgesprochen, auf Flüchtlinge zu schießen, rassistisch motivierte Stimmungsmache gegen deutsche Fußballnationalspieler betrieben, völkischen Sprachgebrauch verharmlost oder die Opfer der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft verhöhnt.

Bereits in den Jahren zuvor verstärkten sich rassistische Positionen in öffentlichen Debatten zu den Themen Integration, Asyl und Migration. Exemplarisch ist zum einen die vom Politiker und damaligen Vorstandsmitglied der Deutschen Bundesbank Thilo Sarrazin ausgelöste Debatte in den Jahren 2009 und 2010 zu nennen, der in renommierten Verlagen und Zeitschriften rassistische Thesen vor allem gegen „Türken“, „Araber“ und Muslim_innen verbreitete (Europäische Kommission gegen Rassismus und Intoleranz des Europarats 2014: 35ff.). Sinti_ze und Rom_nja wurden ebenso zur Zielscheibe in Debatten um Asyl und Freizügigkeit in der Europäischen Union, auch von Politiker_innen etablierter Parteien (Cremer 2013). Zudem plakatierte die rechtsextreme NPD (Nationaldemokratische Partei Deutschlands) in diversen Wahlkämpfen Plakate mit antiziganistischer, antisemitischer sowie antimuslimischer Zielrichtung (Schmahl 2015).

Quelle

Hendrik Cemer: Verbreitung rassistischen Gedankenguts – Meinungsfreiheit hat Grenzen

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Menschenrechtsbildung

Menschenrechte sind unteilbar und interdependent und es geht um die Bewusstseinsbildung für die eigenen Rechte und die Rechte der Anderen.

Dabei fußt die Vermittlung der Menschenrechtsbildung auf drei Säulen. Die erste Säule beinhaltet die Vermittlung und das Lernen über die Menschenrechte, damit sie geachtet und wirksam werden können. Dazu gehören Inhalte wie die menschenrechtliche Entwicklungsgeschichte der Menschenrechte, das Bearbeiten von Menschenrechtsverletzungen und den sich daraus begründeten universellen Wertvorstellungen. Das Lernen durch die Menschenrechte beschreibt Mihr als die emotionale und verantwortungsorientierte zweite Säule. Ziel soll sein, die Menschrechte zu begreifen, zu reflektieren und daraus ein Menschenrechtsbewusstsein zu entwickeln. Der brasilianische Pädagoge Paulo Freire beschreibt dies als das Stadium eines Aufbaus von Sozialkapital, das dazu führt, dass Menschen in die Lage versetzt werden gerecht und sozialverantwortlich zum Wohle aller zu handeln, also selbstbezogen und reflexiv. Die dritte Säule leitet sich von der zweiten ab und beinhaltet eine Verhaltensveränderung, im Sinne von Handlungsoptionen und Empowerment.

Menschenrechtsbildung ist ein lebenslanger und permanenter Prozess, ist Adressat*innen bezogen, bezieht sich sowohl auf Individuen als auch auf Gruppen und Organisationen und informiert und stärkt Zielgruppen über ihre Rechte auf und weist auf Menschenrechtsverletzungen aufgrund verschiedener Diskriminierungsformen hin und fordert diejenigen die gegen diese Rechte verstoßen/verstoßen könnten auf, zur Pflicht über die Einhaltung und Achtung dieser (vgl. Mihr/Rosemann 2004:12). Begründungen, Prinzipien und Argumente aus dem Lernen über und durch die Menschenrechte, münden in den Respekt und die Eigenverantwortung für ein aktives Handeln für die Menschenrechte. Um dies zu fördern, müssen Materialien erstellt werden, die allen Menschen zugänglich und auf ihre Bedürfnisse zugeschnitten sind und erlebbar werden indem sie an verschiedenen Stellen, wie dem formalisiertem1 und nicht formalisiertem2 Sektor, implementiert werden (vgl. ebd.:20).

Quelle 

Anja Mihr, Nils Rosemann: Bildungsziel Menschenrechte. Standards und Perspektiven für Deutschland,Schwalbach/Ts. 2004.

Gudrun Greve, Žaklina Mamutovič: Der Anti-Bias-Ansatz. Ein pädagogischer Beitrag in der Menschenrechtsbildung.

Fußnoten

1 Der formalisierte Sektor bezieht sich auf Vorschulerziehung, der Primar – und Sekundarstufe, den Berufsschulen, den Fachhochschulen, den Universitäten, den Lehrer*innenfortbildungen, den Lehrer*innenverbänden, Gewerkschaften und den Schulämtern.

2 Der nicht formalisierte Sektor bezieht sich auf die Berufsverbände der Polizei, Richter*innen, Anwält*innen, Ärzt*innen, Medienvertreter*innen, den religiösen, kulturellen und humanitären Organisationen, also Kirchen, Stiftungen und Nichtregierungsorganisationen (NGO`s).

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natio-ethno-kulturelle Zugehörigkeit

Mecheril (2003, S. 23 – 27) prägt das Kunstwort ‚natio-ethno-kulturell’, da er beobachtet, dass in ‚Deutschland’ die Bedeutungen der Begriffe ‚Nation’, ‚Ethnizität’ und ‚Kultur’ ineinander verschwimmen. Mit dem neuen Begriff will er die Mehrdeutigkeit, Ungenauigkeit und Komplexität dieser Kontexte deutlich machen.

Mecheril (2003, S. 118 – 251) argumentiert, dass natio-ethno-kulturelle Zugehörigkeit nach Kriterien der Eindeutigkeit definiert und normiert ist. Die Zugehörigkeitskonzepte teilen die Menschen in ‚Wir’ und ‚Nicht-Wir’ ein. Entweder gehört eine Person zu einem natio-ethno-kulturellen Kontext dazu oder nicht. Zwischenstufen dazu gibt es nicht. Die Feststellung der Zugehörigkeit einer Person zu einem Zugehörigkeitskontext orientiert sich dabei an dem jeweiligen fiktiven Prototyp des ‚Wir’.

Quelle:

Urmila Goel: Ein Raum für die Uneindeutigen

zum vertiefenden Lesen: Paul Mecheril: Natio-kulturelle Mitgliedschaft – ein Begriff und die Methode seiner Generierung

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Nationalstaaten

Nach Étienne Balibar sind Nationalstaaten mehr oder minder langlebige Institutionen. Sie erstrecken sich meist über verschiedene Generationen. Sie sind oft vereinheitlicht durch Gefühle, gemeinsame Erinnerungen, Ideologien, politische Strukturen, Verwaltungsapparate, wirtschaftliche Interessen – alles Elemente der eigenen „Geschichtlichkeit“. Nach Balibar wird in historischen Nationen zu einem gegeben Zeitpunkt die Möglichkeit realisiert, die Bevölkerung in bestimmten Institutionen zu einigen (vgl. Balibar 2003:41). Die Nation als Konstrukt ist eine Art der Gesellschaftsformation, die ökonomische und ideologische Strukturen verbindet. Nutznießer*innen sind im normativen Diskurs, die mit Rechten ausgestattete Bevölkerung, die als Repräsentant*innen einer gemeinsamen kulturellen Orientierung gesehen wird. Um in diesem Sinne eine Gemeinschaft zu konstituieren bedarf es der Grenzziehung durch den Nationalstaat. Diese schafft immer auch Exklusionen (Ausschlusskriterien), denn durch Einigung einer nationalen Gemeinschaft wird zwangsläufig auch die Gruppe der „Anderen“ geschaffen, die von der Festlegung des „Deutschseins“ abweichen Die nationalistische Überhöhung legitimiert so die Vorherrschaft einer Gruppe und deren Zugang zu den Apparaten des Staates. Nach Étienne Balibar muss der Nationalstaat Institutionen und Diskurse schaffen, durch die ein möglicher Klassenkonflikt einem beständigen „gerechten Gemeinwohl“ was bedeutet das untergeordnet werden kann (vgl. Balibar 2003:43). Aber der Nationalstaat ist kein statisches Gebilde ohne Bewegung. Es gibt viele Akteure innerhalb und außerhalb eines Nationalstaates, so dass Veränderungen und Verschiebungen Teil seiner Transformationen sind. So wirken verschiedene sich widersprechende Elemente, wie Antidiskriminierungsgesetze und rassistische Migrationspolitik innerhalb eines Nationalstaates (Yuval – Davis 1997:27ff).

Quelle

Étienne Balibar: Sind wir Bürger Europas? Politische Integration, soziale Ausgrenzung und die Zukunft des Nationalen, Hamburger Edition, Hamburg 2003

Gudrun Greve, Žaklina Mamutovič: Feministische Diskurse zu Staatsbürgerschaft

Nira Yuval-Davis: Gender and Nation, Sage Publications, London 1997

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NSU – Terrornetzwerk

Am 4. November 2011 töteten sich die Neonazis Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos im thüringischen Eisenach, nachdem sie von Polizisten in ihrem Wohnmobil entdeckt worden waren. Dort hatten sie sich nach einem Banküberfall versteckt, um den Fahndungsmaßnahmen zu entgehen. Kurze Zeit später legte Beate Zschäpe einen Brand in einer Zwickauer Wohnung, die den dreien über Jahre als Versteck diente. Durch gefundene und verschickte Bekennervideos wurde klar, dass sich die mutmaßlichen Terroristen als „Nationalsozialistischer Untergrund“ (NSU) bezeichneten. Das Kürzel steht für einen der größten Skandale der Nachkriegszeit – auch, weil Polizei und Sicherheitsbehörden bei den Ermittlungen zur rassistischen Mordserie eklatant versagten: Jahrelang haben sie Angehörige und Bekannte der Opfer verdächtigt. Zudem wurden Akten geschreddert sowie Hinweise von V-Leuten nicht weitergegeben.

Quelle

Mediendienst Integration

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Othering

Basierend auf „Wir“-„Ihr“-Konstruktionen wird das „Ihr“ zum_zur vermeintlich gänzlich Anderen, der_die im Gegensatz zum „Wir“ als weniger emanzipiert, aufgeklärt, tolerant, demokratisch, gebildet etc. gedacht wird. Es werden elementare Verschiedenheiten konstruiert, die hierarchisierend – ob offen negativ oder in exotisierender Weise scheinbar positiv – bewertet und betont werden. Wenn das Gegenüber durch die ständige Konfrontation mit den Zuschreibungen nach und nach diese unbewusst übernimmt, ist sie oder er tatsächlich zum vermeintlich Anderen geworden, er oder sie hat sich dem Bild vom Anderen angeglichen. Migrierte beispielsweise, deren bilinguale Kompetenzen offen gering geschätzt werden, werden nach und nach ihr Augenmerk auch selbst auf ihre Defizite im Deutschen legen und es deswegen womöglich weniger sprechen, wodurch sie schließlich das Vorurteil bekräftigen und so unbewusst den Prozess des Othering (dt. z. B. Veränderung, Fremdmachen) bestätigen.

Quelle

Informations- und Dokumentationszentrum für Antirassismusarbeit e. V.

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People of Color

People of Color ist ein politischer Begriff und eine Selbstbezeichnung von Menschen, der sich genau so wenig wie Schwarz auf die Hautfarbe bezieht.

Als gemeinsame Plattform für grenzüberschreitende Bündnisse wendet sich dieser Begriff gleichermaßen an alle Mitglieder rassifizierter und von Diskriminierung betroffener Communities. Er verbindet diejenigen, die durch die weiße Dominanzkultur marginalisiert sowie durch die Gewalt kolonialer Tradierungen und Präsenzen kollektiv abgewertet werden.

Quelle

anti-bias-netz (Hrsg.): Vorurteilsbewusste Veränderung mit dem Anti-Bias-Ansatz. Freiburg: Lambertus 2016

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Rassismuskritik

Rassismuskritik geht von der Annahme aus, dass Rassismus eine gesellschaftliche Normalität darstellt, insofern alle Menschen durch rassistische Kategorisierungen, Zuschreibungen und Diskriminierungen in unserer Gesellschaft positioniert werden. Ein Handeln ist also nur innerhalb dieser Verhältnisse möglich. Daher kann Rassismus nur in ihrem Rahmen bekämpft, Zugehörigkeitsordnungen verschoben und rassistische Diskriminierungen abgebaut werden. Dabei ist die Positionierung der Akteur_innen zu berücksichtigen, um nicht erneut rassistische Strukturen der Über- und Unterordnung zu stützen. Insofern ist Rassismuskritik eine (selbst)reflexive, theoriegebundene, widersprüchliche und prinzipiell nicht abschließbare Praxis. Dadurch setzt sich Rassismuskritik ausdrücklich von Haltungen und Handlungsformen ab, die auf der Annahme beruhen, es reiche aus, für Gleichheit und gegen Rassismus einzutreten, um nicht rassistisch zu sein. Denn sie blenden rassistische Strukturen aus und sind daher auch blind für die Folgen der eigenen Praxis.

Quelle

Informations- und Dokumentationszentrum für Antirassismusarbeit e. V.

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Schwarz

Der Begriff Schwarz ist eine politische Selbstbezeichnung und meint nicht die Hautfarbe. Er ist in den 1960 er Jahren durch die Black Power Bewegungen in den USA geprägt worden, um solidarische Perspektiven und Allianzen zwischen Menschen, die von alltäglichem, strukturellem und institutionellem Rassismus aufgrund von Zuschreibungen betroffen sind, zu stärken.

Schwarz wird großgeschrieben, um das widerständige Potenzial hervorzuheben, das in dieser politisch strategischen Selbstbezeichnungspraxis eingeschrieben ist.

Quelle

anti-bias-netz (Hrsg.): Vorurteilsbewusste Veränderung mit dem Anti-Bias-Ansatz. Freiburg: Lambertus 2016

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Vorurteil

Vorurteile sind negative oder ablehnende Einstellungen einem Menschen oder einer Menschengruppe gegenüber. Anderen werden dabei infolge stereotyper Vorstellungen bestimmte und zumeist negative Eigenschaften zugeschrieben, die sich aufgrund von Starrheit und gefühlsmäßiger Aufladung selbst bei widersprechender Erfahrung nur schwer korrigieren lassen. Viele Vorurteile gegenüber Minderheiten (z. B. Juden, Schwarze, Sinti_zze und Rom_nja) sind historisch tradiert und werden in den Medien, in Schulbüchern und in der Alltagssprache reproduziert. Der Begriff wird aus rassismuskritischer Perspektive inzwischen kritisiert. Denn er und die entsprechende Vorurteilsforschung tendieren erstens dazu, rassistische Einstellungen als individuelles Problem oder Falschinformation erscheinen zu lassen. Sie können dadurch zweitens die Frage nicht befriedigend beantworten, warum rassistisches Wissen sozial geteilt und gesellschaftlich so weit verbreitet ist. Drittens impliziert der Begriff, dass ein prinzipiell richtiges Urteil über die Gruppen, auf die sich Vorurteile beziehen, möglich sei. Dadurch erscheinen diese Gruppen als naturgegebene Einheiten und die Äußernden von Vorurteilen als defizitär und unwissend. Viertens blendet der Begriff die Machtverhältnisse, in denen Vorurteile entstehen und geäußert werden, und die Funktionen, die Vorurteile darin übernehmen, aus. Dadurch leistet er der Gefahr Vorschub, Rassismus zu relativieren.

Quelle

Informations- und Dokumentationszentrum für Antirassismusarbeit e. V.

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Weiß / Weißsein

Mit weiß ist nicht unbedingt die Schattierung der Haut eines Menschen gemeint, sondern die Positionierung und soziale Zuschreibung als weiß in einer rassistisch strukturierten Gesellschaft. Dem liegt die Annahme zugrunde, dass durch Rassifizierung und Rassismus nicht nur rassistisch diskreditierbare Menschen, sondern auch rassistisch nicht diskreditierbare Menschen positioniert werden. D. h. Rassismus weist auch weißen Menschen strukturell einen bestimmten sozialen Ort zu. Dieser Ort ist verbunden mit Privilegien, Dominanzerfahrungen und der Erfahrung als Maßstab zur Beurteilung nicht-weißer Menschen zu fungieren, ohne selbst als weiß markiert zu werden. Wer als weiß gilt und wer nicht variiert historisch, sozial und geografisch. Dennoch ist Weißsein historisch und gesellschaftsstrukturell verankert, so dass es keine Frage der freien Entscheidung ist, ob weiße Menschen Vorteile aus dieser Positionierung ziehen und ob sie Dominanz ausüben können. Die Bezeichnung weiß dient also dazu, diese in der Regel unmarkiert bleibende Positionierung weißer Menschen – mit ihren in der Regel für sie unsichtbaren Folgen – sichtbar zu machen. Erst dadurch lassen sich bestehende Machtverhältnisse und Normalitätsvorstellungen beschreiben, analysieren, reflektieren und verändern, ohne dass Positionierungen als natürliche Eigenschaften von Menschen erscheinen. Um diese Zusammenhänge deutlich zu machen, wird in diesem Glossar weiß stets kursiv gesetzt. Andere Autor_innen schreiben das Adjektiv in Analogie zu Schwarz groß.

Quelle

Informations- und Dokumentationszentrum für Antirassismusarbeit e. V.

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Zuschreibungen

Rassismus schreibt Gruppen essentielle Eigenschaften und unterschiedliche Wertigkeiten zu, diese Hierarchisierung ermöglicht und normalisiert die Diskriminierung und Schlechterstellung der so abgewerteten, rassifizierten Gruppen auch innerhalb gegenwärtiger demokratischer Gesellschaften – die Folge sind ungeachtet des Diskriminierungsverbotes de facto ungleiche Ressourcenverteilung, Lebenschancen und Rechtsrealitäten sowie eine Vielzahl an nicht hinreichend erfassten und geahndeten Menschenrechtsverletzungen. Rassistisch strukturierte Gesellschaften zeichnen sich in der Folge dadurch aus, dass rassistisch abgewertete Gruppen in einer Reihe von Institutionen wie beispielsweise dem Bildungssystem, dem Justizsystem, dem Gesundheitssystem, in den Medien und der Politik zum einen gemessen an ihrem Bevölkerungsanteil insbesondere in Führungspositionen unterrepräsentiert sind und zum anderen in all diesen Teilsystemen schlechter gestellt sind bzw. eine schlechtere Behandlung erfahren. Die Benachteiligungen in unterschiedlichen Teilsystemen bedingen und verstärken sich dabei oft gegenseitig. Darüber hinaus findet rassistische Diskriminierung auch im Alltag statt.

Quelle

Joshua Kwesi Aikins: Rassismus. Definitionen und Komponenten aus wissenschaftlicher und menschenrechtlicher Perspektive. Sachverständigengutachten für die Enquete-Kommission „Ursachen und Formen von Rassismus und Diskriminierungen in Thüringen sowie ihre Auswirkungen auf das gesellschaftliche Zusammenleben und die freiheitliche Demokratie“ des Thüringer Landtages.

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